Ein Kandidat muss weichen: Krimi by Horst Bieber

Autor:Horst Bieber [Bieber, Horst]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-11-02T16:00:00+00:00

15.

Rike kam pünktlich ins Büro und wurde schon dringend erwartet. Ellroth und Anne hatten sich Olli Treck geschnappt, den sie aus dem Bett geholt und der einen ziemlichen Zirkus veranstaltet hatte, in dessen Verlauf er zu fliehen versuchte, über Annes ausgestrecktes Bein gestolpert und sein ohnehin schäbiges Mobiliar durch einen wuchtigen Aufprall nachhaltig beschädigt hatte. Rike missfiel er auf den ersten Blick. Einer dieser unerträglich schönen Naturburschen, die vor lauter Kraft nicht laufen konnten und ihren Verstand gegen Dauersonnenbräune eingetauscht hatten. Die Mannschaft hatte ihn bedingt konditioniert, er saß im Vernehmungszimmer, starrte wie ein Idiot auf das Tonband und begann erleichtert zu lächeln, als Rike hereinkam. Nur eine Frau, dann wurde es bestimmt nicht so schlimm. Rike las ihm die Gedanken auf der Stirn ab und schwenkte Ollis Akte. Zweimal BtmG, einmal Diebstahl, einmal Nötigung. Kein richtig schwerer, aber auch kein richtig ordentlicher Junge. Er mochte Mitte zwanzig sein, aber Rike duzte ihn instinktiv, weil sie ihn für einen unreifen dummen Knaben hielt.

"Na, dann spuck mal aus. Wie war das mit Marianne Schütte?"

"Häääh?" Olli bekam den Mund nicht mehr zu.

"Hat man dir nicht gesagt, um was es hier geht? Um Mord, mein Junge, und da machen sich solche Vorstrafen gar nicht gut."

"Ich kenne keine Marianne Schütte."

Sieh mal an, er hatte sogar den Namen behalten. "Nein? Und wieso erwartete sie dann ein Kind von dir?"

"Blödsinn."

"Das erzählst du dann dem Sachverständigen, wenn der im Prozess gegen dich ausgesagt hat. Er wird sich freuen, und der Vorsitzende auch. Der Staatsanwalt lacht ebenfalls gerne umso mehr, je höher die Strafe ausfällt."

Olli grummelte vor sich hin. Dass Rike so fest davon ausging, man werde ihn vor Gericht stellen, beunruhigte ihn, weil er nicht wusste, was die Kripo über ihn herausgefunden hatte. Vielleich gab es auf dem Reiterhof Wildenmann ja noch mehr, was Olli gerne unter der Decke gehalten hätte. Und Rike überlegte auch eine Minute. Unterstellt, Marianne Schütte wollte das Kind ihrem Mann unterschieben, dann hatte sie gut daran getan, vor Olli zu verschweigen, dass der sie geschwängert hatte. Jetzt griff Ellroth ein, der weniger Geduld besaß als Rike.

"Hör mal, du Knallschote, du scheinst dir nicht vorzustellen, wie ernst es für dich ist. Du hast die Marianne Schütte geschwängert, wahrscheinlich vergewaltigt, so wie du es bei der Tochter Vera versucht hast, und wenn wir jetzt noch herausbekommen, dass du am Montag voriger Woche nachmittags an der Villa Schütte gewesen bist, haben wir einen prächtigen Verdächtigen, auf den sich der Staatsanwalt schon freut."

"Nein, Blödsinn, Quatsch, so war das doch nicht, ich habe nichts getan ..."

"Bevor wir dir das glauben, solltest du erst einmal berichten, wie es wirklich gewesen ist."

Olli raufte sich die Haare, wollte schon in der Nase bohren, als er Rikes gereizten Blick bemerkte, riss sich fast die Ohrläppchen ab und bequemte sich endlich, den Mund aufzumachen. Alles war ganz anders gewesen. Ja, diese blöde Nuss von Vera hatte ihn schwer beschimpft, weil er ihr aus dem Sattel helfen wollte und dabei aus Versehen an ihren Busen gekommen war. Nur einmal, ohne Absicht. Nach dem Geschrei hatte er auch nie wieder versucht, ihr zu helfen.

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